Es ist immer eine besondere Freude, KlientInnen und Pflegekräfte vor den Vorhang holen zu dürfen. Diesmal: Das Kaisermühlner „Urgestein“ Hilde mit Pflegeassistentin Tatjana.
„Kaisermühlen ist ein Dorf“, sagt man gerne. Menschen wie Hilde können darüber nur schmunzeln, denn sie kannte Kaisermühlen noch, als es tatsächlich ein Dorf war. Aufgewachsen ist sie im ehemaligen „Wöber-Haus“ am Schüttauplatz, als rundherum noch Felder und Wiesen waren und als das Leben in Kaisermühlen richtig beschwerlich war. Auch die Kriegsjahre und später die Besatzungszeit hat Hilde im Grätzl durch- und nur mit viel Glück unbeschadet überstanden. „In Kaisermühlen ist auch sehr viel bombardiert worden“, erinnert sie sich.
Und sie erinnert sich auch an die Zeit kurz vor dem Eintreffen der russischen Besatzer, als sie, ihre Familie und die NachbarInnen praktisch durchgehend im Keller leben mussten. Oder als ihr Vater die damals 18-Jährige vor dem Angriff eines Soldaten rettete. „Wenn er Deutsch verstanden hätte, hätte er meinen Vater vermutlich erschossen“, sagt sie. Auch dass während der Kriegsjahre rund um die Kirche am Schüttauplatz ein provisorischer Friedhof errichtet wurde, weiß sie noch gut: „Irgendwo mussten die Toten ja hin.“ Es waren harte Jahre.
Krieg, Besatzung, Wiederaufbau
In der Zeit des Wiederaufbaus blieb Hilde in Kaisermühlen, wo schon ihre Mutter aufgewachsen war. Der Vater, ein Steirer, war für seine Lehre nach Kaisermühlen gekommen und hatte über einen Kollegen einen Platz zur Untermiete gefunden – zufällig im gleichen Haus, in dem Hildes Mutter lebte. „Die anderen haben schon gesagt, ‚Das ist aber ein durstiger Mensch‘, weil mein Vater so oft zum Wassertrinken rausgegangen ist“, lacht Hilde. „Dabei war die Bassena einfach nur nahe bei der Wohnung meiner Mutter.“
Nach Kaisermühlen zog man früher einfach nicht
Obwohl mit Kaisermühlen nicht nur viele schöne, sondern auch viele schreckliche Erinnerungen verbunden sind, hätte sich Hilde niemals vorstellen können, hier wegzuziehen. Schon gar nicht mehr heute, mit 95 Jahren. Was sie vermissen würde? „Einfach alles“, sagt sie. „Ich bin ja quasi hier geboren worden.“
Aus dem früheren „Wöber-Haus“ zog sie dennoch irgendwann aus und nahm ihre inzwischen verwitwete Mutter mit. In eine Wohnung nur wenige Meter weiter: Zimmer, Küche, Kabinett mit WC und Dusche in der Wohnung. Auch dabei hatte sie Glück, denn ursprünglich wollte auf dem Grund ein Unternehmen für seine Angestellten bauen, musste die Pläne aber wieder ad acta legen. „Von den Mitarbeitern wollte einfach keiner nach Kaisermühlen ziehen, wir hatten damals wirklich keinen guten Ruf“, schmunzelt sie. Stattdessen wurde an der Stelle das Wohnhaus errichtet, in dem sie noch heute lebt.
Als Pater Elmar, Gründer und Ehrenobmann des Verein Pflegehospiz Kaisermühlen, vor 31 Jahren in die Pfarre Kaisermühlen kam, übernahm Hilde die Leitung der Seniorenrunde. Wobei sich Elmar eigentlich einen Mann als Leiter gewünscht hatte. „Damals waren wir Frauen noch eher fürs Geschirrabwaschen und Brötchenschmieren zuständig“, sagt Hilde, die jahrzehntelange Bürotätigkeit und Organisation gewohnt war, mit einem durchaus kritischen Blick. „Es hat sich aber kein Mann für die Leitung gefunden, also hab ich gesagt, ich versuch’s.“ Sie trommelte die Leute wieder zusammen, organisierte fortan alle zwei Wochen Diavorträge, Ausflüge und vieles mehr. Und es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft mit Pater Elmar.
Wenn ein aktiver Mensch plötzlich auf Hilfe angewiesen ist
Auch nach Elmars Pensionierung blieb Hilde in der Pfarrgemeinde aktiv und war unentwegt unterwegs. Dass sie vor gut zwei Jahren nach einem Sturz plötzlich auf regelmäßige Betreuung und Pflege angewiesen war, war ein schwerer Schlag für sie. „Das war schon ungewohnt, dass plötzlich drei Mal am Tag jemand kommen muss, wenn man vorher immer selbstständig ist“, sagt sie
„Aber du hast einen eisernen Willen und bist auch ein Mensch, der auf den Füßen bleiben will“, ergänzt Pflegeassistentin Tatjana, die längst zu einer wichtigen Bezugsperson geworden ist. Sie unterstützt Hilde bei der Körperpflege, im Haushalt, bei der Einnahme der Medikamente, richtet das Essen zurecht, hört zu und ist vor allem mit viel Herz dabei. Dank ihres „eisernen Willens“, den Tatjana betont, und der regelmäßigen Physiotherapie kam Hilde wieder so gut auf die Beine, dass sie sich zumindest in der eigenen Wohnung ohne Hilfe bewegen kann.
Gerade in der Pflege muss die Chemie stimmen
Dass die Chemie zwischen ihr und den Pflegekräften stimmt, ist für Hilde genauso wie für die Mitarbeiterinnen wichtig. „Das ist auch ein Vorteil der Kaisermühlner Nachbarschaftshilfe: Man ist einfach sehr nah dran“, sagt Tatjana und Hilde nickt. „Und man muss auch sagen, dass Gudrun, die im Büro für die Einteilung zuständig ist, es meistens schon im kleinen Finger hat, bei wem es passt.“ Dass Hilde und Tatjana ein Herz und eine Seele sind, ist sofort klar, wenn man die beiden miteinander sieht.
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